Barbara Gauger
Barbara Gauger

Malweiber in Möckmühl, ..... eine phantastische Begegnung im Württemberger Hofe ...

... "Zwei Achtele bitte, Maria" ..., "Und einen Schillerwein für mich..., ja, ein Viertele, Mariechen", "A Veschperplatte bringsch mir...aber mit erre gute Portion Schwartemage, sei Fleesch braucht man halt als Mann...!. Hinter dem Zigarettenduft am Nebentische eine fröhliche Stimme: "Maria, wenn die Herren fertig sind, noch zwei Möckmühler Agria-Weinle für uns... . ". Zwei temperamentvolle Damen saßen da am Nebentische, dem Blicke und der Kleidung nach zu schließen, im "Künstlerischen unterwegs". Zwei Herren hoben sich ihr Heilbronner Käthchenbier prostend zu  - kennen Sie diese herrlichen Biertulpen mit dem freundlichen blonden lächelnden Mädle im geschnürten hellblauen Mieder? Zu schön diese Gläser, so ländlich..sittlich, nichts hintergründig - trancehaftes dabei, passend ins lieblich-bukolische des Hohenlohischen - der Gespenste und Geisterseher gibts in der Friedrichstadt genug.... "Siehsch, Kerle, wie der ätherische Herr da hanne in der Ecke die Malweiber oschmachtet..." Der ätherische Herr in der Ecke, das war ich. "Ha, sehr äschthetisch sieht er aus in demme Fräckle, vielleicht will er denne Künschtlerinne Modell sitze..." Ein Dritter, Hinzugetretener äußerte unter Anwendung  väterlich-spaßhafter Besorgnis: " Aber nur hauße, an derre gute Möckmühler Landluft, da kann er de Dame net gfährlich werre." Darauf der erste:" Der und gfährlich, da muß er erscht mal kräftig durchatme und a Aal vom Hucko esse, in Salbei gschwenkt, schee mit Butter, da muss er net so hueschtle.Salbei isch gut für d' Otemweg. An demme  Kerle isch ja nichts dran - schau Mariele, wie sagsch immer so schee, dem soi Hintre kriegsch grad noch in oine Hand". "Halt a vornehmer Schwindsüchtiger, soll ja jetzt der vorderletschte Schrei so bei de Stadtmensche." "Ein Hoch auf uns Landpomeranze und Zum Wohle! ...." .

 

Hilfesuchend wandte ich mich an die "Malweiber". . "Gestatten, Schmitz, Schmitz aus Düsseldorf, sind Sie auch zu Gast hier, oder wohnen Sie für länger im burgengekrönten Möckmühle?". "Immer mal wieder, aber natürlich waren wir auch in der Künstlerkolonie Dachau und in Paris. Kennen Sie die Marie Blanchard?" "Aber sicher, sehr beeindruckend, eine Meisterin des verspielt assoziierten Kubismus. hat sie nicht auch bei Kees van Dongen studiert? Sie lebte doch teilweise in Paris. ich bin ja immer sehr ergriffen von diesen Damen, die trotz großer körperlicher Widerstände gemäß ihren Talenten leben.Von der Alma Karlin aus Celje im Slowenischen, von ihr spreche ich sehr gerne, die einsame Weltreisende.... und wie sie zu schreiben wußte... Und da lächelt man doch immer über die Malmatronen ... ich gestehe es zu meiner Schande... ", so  bemühte ich schnell zu versichern. "Ja, was sollen wir zufällig Angehörigen des sogenannten schönen Geschlechtes denn auch schon tun, in den Akademien gabs keinen Platz für uns, also auf mit der Palette ins Freiluftatelier - wenn man etwas wirklich will, macht mans halt auch ohne Rücksicht auf geweihte Kunsthallen. Und die kennen doch die alte chinesische Weisheit: Ist der Schüler bereit, so findet sich auch ein Lehrer, Harriet mit ihrem Schaukelpferdle,  fand ja auch den passenden Meister von Zuegel. Und ich, so als malende Freifrau im Freilichte der Seckachauen: Marie Freiin von Berlichingen-Jagsthausen, das wäre so mein bescheidener Name." Das war ja allerhand - doch noch bevor meine Gesichtsfarbe sich in demütiger Blässe der Farbe der frisch gekalkten Wirtschaftswand anpassen konnte, hieß es leichthin ... "Jetzt nehmens sie´s nicht so schwer, die Dame in Weiss neben mir, das ist meine Freundin Harriet Sundström, auch so ein Malfrauchen ... "Die Schwester von der Ellen Amman, der Gründerin der ersten Katholischen Bahnhofsmission in München..?" ängstigte ich mich.  "Genau, nichts für ungut, wir kennen ihre Satire, Sie Hutsimpel. Setzen Sie sich doch zu uns, Düsseldorf, das ist doch auch eine ganz wunderbare Kunststadt, erzählen Sie doch, .... noch ein Viertele für den jungen Herrn, Maria... "

 

Auf diese unverblümte Weise an den Tisch der beiden Frauen genötigt, bemühte ich mich um passende Worte, allein, sie stellten sich nicht ein. "Schillerwein, wieso eigentlich Schillerwein, so stammelte ich. "Nein, mit dem Dichter hat das nichts zu tun, er hat hier sein Schwesterlein Louise auch nie besucht,  den nennen wir so, weil all die Möckmühler ihre Träuble zusammenpacken, ob rot, ob weiss und dann schillerts halt rosa - ´gehobener ausgedrückt rosé oder cuvée." "Aaber, aber", so stammelte ich, "mit dem von Goethe so aussagekräftig besungenen Berlichingen stehen Sie verwandtschaftlich in Verbindung?". "Das tun wir hier so, ja, von der Möckmühler Burg soll er ja auch den berühmten Ausspruch getan haben...sie wissen schon.. den mit dem Allerwertesten, so für den Kulturmenschen vereinfacht" . "Hat der Goethe das eigentlich recherchiert? Oder ist das rein dichterisch zu betrachten? Ja, ja, diese Dichterlinge und ihre Geschichtsbilder, haben sie mal überlegt, wie der Friedrich Schiller mit seiner Maria Stuart die Konfliktlage im Shakespeareschen Engellande auf einen `Streit der Kunneginne`heruntergebrochen hat - da werden noch Generationen von Historikern dran herumklittern müssen. .." Harriet Sundström: "Nun, aber Düsseldorf, die Kunstsituation, hatten wirs nicht davon. Wie siehts denn dort so aus mit den malenden Kolleginnen?" "Nun, meine geniale Freundin Ilna Ewers-Wunderwald...", die Freiin von Berlichingen fiel ein: "Ja, Harriet, das ist eine Cousine vom Sezessionsgustav Wunderwald, der war doch auch in Schweden,  der mit den Bühnenbildern". "Ja Ilna, sie hat eine Technik mit Tuschfarben entwickelt, orientiert an japanischer Kunst aber auch natürlich an Aubrey Beardsley". "Und, die Bücher kennen wir ja, Indien und ich, das Titelbild war doch von Ihr? Und die Vignette auf 'Mit meinen Augen' und die herrliche Weinkarte mit dem Storch und dem Fuchs für die Hapag.  Hier, in Möckmühl, da sind auch einige Männer auf der Hamburg-Amerika Linie gefahren, Hugo als Schiffskoch ... und Heinrich der Seefahrer ... wir waren übrigens auch bei Diego Rivera, über die Maria Blanchard. Na, das waren ja ungeheuerliche Übereinstimmungen auf dem Lebenswege dieser Damen. "Ilna, ja, die hat auch Bilder, eine wunderbare Diana, ein Selbstporträt, aber meistens hat sie die Bücher ihres Mannes illustriert. Was heißt hier illustriert .... geschmückt, mit ihrer einzigartigen Kunst gehoben. Man könnte denken, es sind Graphiken, aber nein, alles gezeichnet. Und die Farbigkeit, der Auftrag, mit malerischer Leichtigkeit, ganz wunderbar. Gut, sie hat ihre Ausstellungen gehabt, in München und Berlin,  aber ich befinde ja, ihr Malmädle - was für ein seltsam Wort - ihr seid doch alle zu bescheiden, ich kann das nur von der Ilna sagen. Ihr koennt ja schon froh sein, wenn der bildungstolle Hannoversche Keksbäcker Bahlsen Euch die gutbürgerlichen Gebäckdosen gestalten lässt .... und dabei ist dieser Mann ja schon sehr fortschrittlich. Ilna macht die Bücher..., obwohl, wenn ich Sie richtig verstanden habe: Sie beide, sie gehören doch, wenn man es recht betrachtet, zu den Inventorinnen der sogenannten Freiluftmalerei...? Ich stell mir das ja zu gerne vor, wie der Lovis Corinth in Dachau nur noch im Schatten der Damen zur Sonne und malerischer Freiheit kam. Und murrend scharrte er auf der Leinwand ... .

Es ist ja auch sehr kunstmächtig, was er so schafftt, aber Ihre Bilder, die scheinen so leicht, so luftig und frei, wenn ich die Skizzen recht betrachte. " "Ja, wir malen hier halt auch 'die Leut', die kenne wir halt. Junge mit Schaukelpferd, die Mutter Ensinger, die Linde Baier." "Herrliche Bilder, wirklich schee", bemerkte eine gut gekleidete Dame, die schon eine Weile unser Gespräch belauscht hatte, mit wissendem Lächeln, "aber kenne Sie die herrlichen Paravents von der Freifrau von Berlichingen? So verspielt, so freundlich, mit Obsthimmel oder Reiterle, fast wie im Rokoko ...da ist es um die Platznot gar nicht mehr so arg, wenn sie die Zimmer teilen"... Jetzt entfuhr es mir: "Aber bitte reden sie mir bitte nichts von 'dekorativ' oder 'Gebrauchskunst' . Das sind doch alles ganz neue Erscheinungen, warum soll Kunst nicht schmücken, warum soll sie nicht erheitern, warum sie nicht gar benutzen? Macht sie nicht das Leben einfach schön? Im übrigen: so leichthin ist es mit den Zeichnungen der Frau von Berlichingen auch gar nicht bestellt"- mittlerweile hatte ich einen Blick in das von ihr mitgeführte Skizzenbuch getan - "sie erinnern mich doch an meinen Freund Otto Boyer, in der Auffassung der Figuren und der Landschaften, und der ist schon recht hintergründig, wie ich meine. Max Benirschke hat doch seine Reisebeschreibungen nach Spanien, die fuegos fatuos ganz phantastisch und einfühlsam gestaltet, wir sind doch recht stolz in Düsseldorf, daß der Peter Behrens ihn für uns aus Wien zu uns gebracht hat, und ....."  "Ha noi, dekorativ, wie kommet sie denn darauf? Mir kennt die 'Städtische Diskuschione' net, mir saget immer, 'Schee, ist sie halt, die Kunst unserer Stadtmalerinne' und mir sind mächtig stolz auf sie beide. Na, und ob mir die Bilder möget, uns isch das ganz egal, ob die Harriet beim großen Anders Zorn gelernt hat und ob sie den Carl Olof Petersen kannte und ob er die wiederum schätzte - ich kenne diese Herren nicht, hier im ländlich-sittlichen Möckmühle", so die Emme.

 

Ein Malmann ächzte vorbei, unter dem Fenster der Gaststube. Stöhnend unter dem Sonnenlichte trug er seinen Farbkasten, die Staffelei klemmte unter seinem Arm, ein Handwagen mit mächtigen Pinseln und Leinwänden bezeugte die Wichtigkeit seiner künstlerischen Sendung. Zur Bekräftigung der Mission strömten ihm  schwerfallende Schweißtropfen von der Stirn und rannen zu Boden, sie ergossen sich in die Seckach, die Seckach stieg, Wirt Kaiserles Weinkeller überflutetete, die Weinfässer schwammen auf den Wellen, ertrinkend ergriff ich eines und schwang mich darauf, ich wirbelte über die Wasser der Jagst, auch sie trat schon über die Ufer. Obenaufthronend passierte ich den gewichtig schleppenden einsamen Helden der Freiluftkunst. Ob der Gravität seines Vorhabens platzten beschämt die Deckel aus dem von mir berittenen Fasse. Der Wein ergoß sich in die Fluten. Das Fass bockte erleichtert in Luftsprüngen wie ein übermütiges Füllen. Ich verlor den Halt und nahm ein Wellenbad. Ich tauchte unter. Ich ward nicht mehr gesehen und der städtische Anstreicher Herr Datz sammelte die Fassdeckel. Er trocknete sie. Er benutzte sie als Malgrund für die Schützenscheiben des örtlichen Vereins. Schade, daß sie von den Geschossen Löcher bekamen, sie waren doch so stimmungsvoll....

 

 

 

 

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